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Laudatio auf Angelika Schilling anlässlich der Verleihung des Giuseppe-Indri-Preises am 17. Januar 2004

Gabriele Errerd

geb. 1950
Nach dem Abitur Studium an der Pädagogischen Hochschule Lörrach, danach Schuldienst im Landkreis Lörrach
bis 1983.
Von 1983 bis 1988 Auslandsschuldienst an der Deutschen Schule in Guayaquil, Ecuador
Von 1988 bis 1993 Konrektorin an der Karl-Tschamber-Schule
Von 1993 bis 2005 Schulleiterin der Rheinschule
September 2005 Rücktritt von der Funktion als Schulleiterin
Von 2005 bis 2007 ehrenamtliches Engagement in einem privaten Entwicklungshilfeprojekt in
Riobamba, Ecuador
Seit September 2007 Arbeit als Lehrerin an der Grundschule Salzert in Lörrach

Liebe Frau Schilling,
sehr geehrte Damen und Herren,

vor genau 11 Jahren haben wir uns kennengelernt, liebe Frau Schilling, als ich mich als neue Schulleiterin an der Rheinschule in Friedlingen vorstellte. Schon damals waren Sie im Elternbeirat unserer Schule - und Sie sind es heute noch. Für mich ist es deshalb eine große Freude, Sie heute hier würdigen zu dürfen, mit Ihnen auch dem Stadtteil, der uns beiden so sehr am Herzen liegt, einen Namen und ein Gesicht zu geben.

Friedlingen: Meine Damen und Herren, Sie alle kennen die Vorurteile und Sprüche, die über Friedlingen kursieren, damit will ich Sie jetzt nicht langweilen. Friedlingen ist kein Nobelvorort. Es ist ein traditionelles Arbeiterviertel, und es leben dort seit über 40 Jahren viele Menschen, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. An der Schule sind es mittlerweile über 60%. Die 700 Wohneinheiten des sozialen Wohnungsbaus, die in den 90er Jahren gebaut wurden, verdoppelten fast die Schülerzahlen unserer Schule innerhalb kurzer Zeit - und brachten auch ein ganz eigenes Klientel nach Friedlingen.

Als Frau Schilling 1980 mit ihrer Familie nach Altweil kam, erfuhr sie auch recht schnell: Friedlingen ist Tabuzone, dort geht man nicht hin! Meinem Kollegium und mir wird häufig von den Weilern Mitleid entgegengebracht: "Oh, Sie haben es sicher schwer, die vielen Ausländer in Friedlingen!"

Nun muss man aber wissen, dass Frau Schilling ihre Kindheit mit ihren Eltern in verschiedenen Ländern verbrachte, selbst auch immer "Ausländerin" war. Sie hat sich, seit sie denken kann, mit Menschen anderer Sprache und Kultur auseinandergesetzt. Für sie war Nationalität nie ein Thema. Sie geht einfach selbstverständlich auf andere zu, auch wenn sie sie nicht versteht.

1987 zog Frau Schilling mit ihrer Familie nach Friedlingen, und es zeigte sich deutlich in Kindergarten und Schule, dass das Problem eben nicht die "vielen Ausländer" sind. Unser Problem sind die Kinder, die in ihren Familien keine verlässlichen Sprach- oder Verhaltensmuster mehr erfahren, Kinder aus Familien, in denen die virtuelle Welt mehr zählt als das Gespräch, Kinder, deren Familienstruktur weggebrochen ist.

Als Frau Schillings ältester Sohn in den Kindergarten kam, engagierte sie sich sofort im Elternbeirat mit Bastelaktionen, um die Geldmittel des Kindergartens aufzustocken, mit Malaktionen für die Kinder, usw.

Frau Schilling leitete einige Zeit den Mutter-Kind-Kreis der Friedensgemeinde, absolvierte nebenbei die Ausbildung zur Kinder- und Jugendübungsleiterin und leitet seit Jahren das Kinderturnen des KSV Friedlingen.

Frau Schillings Kinder kamen in die Rheinschule und wieder war es selbstverständlich für sie, sich zu engagieren: bei der Schulhofumgestaltung, bei sämtlichen Feiern und Festen, bei unserer großen Wandmalaktion, wo wir mit 300 großen und kleinen Menschen die ganze Hausfront als "Urwald" gestalteten. Übrigens, Wandmalerei ist Frau Schillings Leidenschaft: Wenn Sie, meine Damen und Herren, einmal die Riedlistraße entlangfahren, sehen Sie groß und bunt den Schriftzug RHEINSCHULE an unserem Haus - natürlich von Frau Schilling gemalt. Und mit der Wohnbaugesellschaft gestaltete sie in der Breslauerstraße den Eingangsbereich zum Frauen-Café.

Mein Kollegium und ich schätzen Frau Schilling sehr als Elternbeirätin, viele Jahre war sie auch Vorsitzende dieses Gremiums. Sie begleiten unsere Arbeit stets kritisch, Frau Schilling, Ihre Kritik ist aber immer konstruktiv, und wir Lehrerinnen und Lehrer sind uns immer Ihrer Wertschätzung gewiss. Schule ist heute mehr denn je angewiesen auf Elternmitarbeit. Wir können unseren Erziehungs- und Bildungsauftrag nur erfüllen, wenn Eltern unsere Arbeit eben wertschätzend mittragen und mitgestalten Wir sind dankbar, dass wir Sie haben, Frau Schilling! Und wenn Sie von besorgten Eltern gefragt werden, ob man denn sein Kind überhaupt in die Rheinschule schicken könne, ob es "bei den vielen Ausländern" etwas lernen könne, dann geben Sie zur Antwort, dass "Leistung" für Sie nicht die höchste Wertigkeit hat, sondern dass das Miteinander von Kulturen, Sprachen und sozialen Schichten gelernt, dass multikulturelle Begegnung täglich gelebt wird.

Sie leben es vor, Frau Schilling, Sie engagieren sich in den unterschiedlichsten Bereichen, zusammen mit den unterschiedlichsten Menschen. In Ihrer bescheidenen Art stellen Sie nie Ihre Person, sondern immer die Sache in den Vordergrund.

Früher waren Sie in der AG-Umwelt aktiv - daraus ging dann später der Arbeitskreis Tschernobyl-Kinder hervor. Zusammen mit 10 anderen Frauen laden Sie jedes Jahr für drei Wochen eine Kindergruppe aus Weißrussland nach Friedlingen ein, um diesen Kindern, die alle sozial benachteiligt sind, Ferien zu ermöglichen, in denen sie wieder Kräfte auftanken können. Die Kinder sind im Gemeindehaus der Friedensgemeinde untergebracht und werden von Ihrem Arbeitskreis betreut.

Seit Sie in Friedlingen wohnen, engagierten Sie sich in der Zweigstelle der Stadtbücherei, unter der Friedenskirche. Es war Ihnen ein großes Anliegen, diese kleine, bestens funktionierende Bücherei als Ort der Begegnung für Kinder und Jugendliche zu erhalten. Sie organisierten zusammen mit der hauptamtlichen Mitarbeiterin der Stadtbibliothek Bilderbuch-Kino-Vorstellungen, Vorlesestunden für die Kinder und viele andere Aktionen. Immer haben Sie durch entsprechende Werbung dafür Sorge getragen, dass auch die ausländischen Kinder in die Zweigstelle kamen, und ich fand es stets sehr beeindruckend, wenn ich dort eine ausländische Mutter sah, die zusammen
mit ihrem Kind ein Bilderbuch anschaute oder einen jungen Afrikaner, der sich darüber beraten ließ, mit welchem Buch er denn am besten Deutsch lernen könne.
Sie haben zusammen mit anderen um den Erhalt der Zweigstelle gekämpft, leider war dieser Einsatz erfolglos - die Zweigstelle der Stadtbücherei gibt es in dieser Form nicht mehr bei uns in Friedlingen. Schade.

Eine große Liebe hat Frau Schilling: Theater spielen mit Kindern und Jugendlichen! Mit einer Kindergruppe der Rheinschule fing es an: Sie studierte ein Theaterstück ein anlässlich des Kulturprojektes "Friedlinger Frieden", aufgeführt wurde es natürlich in der Bücherei. Weitere Stücke folgten, und jetzt ist Angelika Schilling im Vorstand des Kulturvereins Kesselhaus und dort zuständig für den Bereich Kinder- und Jugendtheater. Auf Frau Schillings neues Stück darf man gespannt sein: Es heißt "Medienkrieg oder Kriegsmedien" und handelt vom Irak-Konflikt und dem Umgang mit Medien. Das "Kindertheater im Kesselhaus" führt es im März auf.

Neben all dieser ehrenamtlichen Tätigkeit hat Frau Schilling aber auch "nebenbei" ab und zu in Teilzeit gearbeitet, um zum Familieneinkommen beizutragen.

Frau Schilling macht es einfach Freude, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, es ist ihr ein Bedürfnis, sich in dem Stadtteil, in dem sie lebt und sich wohl fühlt, zu engagieren. So ist sie natürlich auch bei unserer Stadtteilrunde dabei. Alle, die in Friedlingen mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, treffen sich regelmäßig, um die Arbeit sinnvoll zu vernetzen. Uns allen in Friedlingen geht es um Integration, Integration als das Hereinführen von Menschen, die außerhalb stehen: außerhalb der Gesellschaft, außerhalb der Norm, der Kultur, der Bildung, der Religion, der Tradition - und das sind in Friedlingen nicht nur die Ausländer! Dass wir dabei auch oft an Grenzen stoßen, sehen wir als Herausforderung, nicht als Problem.

Ich wünsche Ihnen, liebe Frau Schilling, die notwendige Kraft, um diesen Herausforderungen weiter zu begegnen und Kraft, um das, was Sie bewegt, voran zu bringen, nämlich eine eigene Lobby für Friedlingen zu schaffen und dem Stadtteil ein stärkeres Selbstbewusstsein zu geben.

Ich bitte Sie nunmehr zur Entgegennahme des Preises auf die Bühne.

Der Preis wird überreicht von der Tochter von Giuseppe Indri, Frau Anita Werner. Die Familie Indri hat wiederum die sichtbare Ausstattung des Preises übernommen. Ich lese Ihnen nun die Urkunde vor: