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Gesangverein Weil 1836 e.V. - Turnverein Weil 1884 e.V. - Stadtmusik Weil am Rhein

Neujahrsempfang in Altweil am 10. Januar 2009

Festrede zum Thema "Entstehung von Vereinen im 19. Jahrhundert im alten Weil"

Sabine Theil

geboren 1960 in Weil am Rhein,

Industriekauffrau und Projektmanagerin (IHK), freie Mitarbeiterin der Weiler Zeitung, seit 1997 Stadtführerin in Weil am Rhein und aktiv im Museumskreis e.V. Weil am Rhein für das städtische Museum am Lindenplatz tätig, Moderation "Lokale Agenda 21-Soziales, Sport und Kultur" von 2001-2003, Mitinitiatorin und Mitmoderatorin des Weiler Weinweges, Mitarbeit bei Konzeption und Realisation der Ausstellung "Brücken verbinden" anlässlich der Einweihung der Dreiländerbrücke im Jahre 2007.

Sehr geehrte Festgäste…

Alle guten Dinge sind drei!

Ganz nach diesem Motto möchte ich auch die Vorsitzenden der drei Weiler Traditionsvereine begrüßen:

sehr geehrter Herr Meier,
sehr geehrter Herr Welzbacher,
sehr geehrter Herr Obrist,

vielen Dank für die Einladung.

es ist eine Ehre für mich, hier an diesem Ort, mit dem auch ich viele persönliche Erinnerungen verbin-de, die Festrede halten zu dürfen - und zwar gleich für zwei gewichtige Ereignisse - das 170-jährige Bestehen der Stadtmusik Weil am Rhein und das 125-jährige Jubiläum des Turnvereins Weil 1884.

Und da man bekanntlich die Feste feiern soll wie sie fallen, werden wir das heute und im Laufe des Jahres gebührend tun.

Die Vereine waren und sind wichtige Kulturträger und dürfen mit Recht stolz darauf sein, was sie in den vergangenen beiden Jahrhunderten geleistet haben. Ich persönlich möchte dazu meine Anerkennung und meine Glückwünsche aussprechen - auch im Namen der Weiler Stadtführerinnen und Stadtführer.

Doch was wir als selbstverständlich hinnehmen, war nicht immer so.
Heute, in einer Zeit, in der das Recht, Vereine zu gründen, in unserem Grundgesetz verankert ist, kann sich kaum noch jemand vorstellen, welch ein Ereignis eine Vereinsgründung im 19. Jahrhundert darstellte, welche Bedeutung dies für die Menschen hatte.
Erste standesübergreifende Vereine gründeten sich in Deutschland bereits während des 18. Jahrhun-derts. Es waren zuerst aufklärerisch gesinnte Vereinigungen, die sich der Pflege von Bildung und Kul-tur verpflichtet fühlten. Einer der bekanntesten Clubs dieser frühen Phase war der Berliner Montagsclub. Später kamen die bürgerlichen Lesegesellschaften auf. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Vereine, Gesellschaften, Verbindungen sowie Bünde.
Das Aufblühen des modernen Vereinswesens ist eng mit der Industrialisierung verknüpft, als Men-schen die starren ständischen Korporationen aufgaben, die das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben bislang geprägt hatten.
Mit dieser industriellen Revolution gewann das Bürgertum an Einfluss. Nach und nach wurde den Bürgern zugestanden, sich zu selbst gewählten Zwecken und vor allem nach selbst gewählten Regeln zu organisieren. Doch für die fürstliche Obrigkeit waren Vereinsgründungen noch lange Zeit suspekt. Auch wenn vor allem in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine regelrechte Vereinsgründungs-Welle ausgelöst wurde, die fast alle Lebensbereiche umfasste, mussten sich diese vor Ort erst nach und nach durchsetzen.
Begleiten Sie mich nun auf eine Zeitreise durch das 19. Jahrhundert - ein Jahrhundert der Verände-rung - ein Jahrhundert der Vereinsgründungen.

Ich möchte mit Ihnen gemeinsam Auszüge der Weiler Geschichte von 1800 bis 1900 Revue passie-ren lassen und aufzeigen, in welcher Zeit die ersten Vereinsgründungen im alten Weil erfolgten. Die Geschichte der Traditionsvereine ist folglich eng verknüpft mit der Ortsgeschichte von Weil. Viele Sor-gen und Nöte von damals unterschieden sich allerdings nicht wesentlich von den heutigen. Themen wie Feuerwehr, Schulneubau, Brückenbau und Eisenbahn waren schon im vorletzten Jahrhundert Gegenstand von umfassenden Diskussionen.

Weil war um 1800 ein relativ wohlhabendes Rebdorf mit rund 850 Einwohnern- aufgeteilt auf etwa 120 Familien.

Während der Wintermonate kamen in jener Zeit die Weiler zusammen, um sich um eine gemeinsame Lichtquelle zu setzen, und dabei gemeinsam zu handarbeiten, zu werkeln, zu diskutieren sowie Wissen und Geschichten auszutauschen, was man "z'Liecht goh" nannte. Gerne haben die jungen Män-ner Gespenstergeschichten erzählt, um hinterher die verängstigten jungen Damen nach Hause beglei-ten zu dürfen.

Waren noch um 1800 rund 15 % der Kranken in den umliegenden Krankenhäusern an Malaria er-krankt, veränderte die Tulla'sche Rheinkorrektur das Leben am Rhein nachhaltig. Der Charakter der einst kilometerbreiten Flusslandschaft wandelte sich entscheidend.

Aus der kleinen badischen Markgrafschaft war Anfang des 19. Jahrhunderts ein Großherzogtum geworden, mit einer Verfassung, durch die die Bevölkerung erstmals die Möglichkeit zur politischen Mitbestimmung bekam. Man befand sich inmitten eines großen politischen aber auch sozialen Umwälzungsprozesses.

Weit weg von Weil fand 1811 die Einweihung des ersten deutschen Turnplatzes auf der Hasenheide in Berlin statt. Initiator war Friedrich Ludwig Jahn, genannt Turnvater Jahn, der damit die deutsche Turnbewegung ins Leben rief und Auslöser für unzählige Vereinsgründungen war. Er erfand die Turngeräte Barren und Reck. Der Begriff "Turnen", der für vielseitige Leibesübungen wie Laufen, Werfen, Springen und Turnen an Geräten stand, wurde von ihm geprägt und eingeführt.

In Weil waren indes unruhige Zeiten. Als dann 1815 die endgültige Schleifung der Hüninger Festung in Friedlingen erfolgte, waren die Weiler Bürger sehr erleichtert. Doch mussten sie erst einmal die folgenden Hungerjahre 1816/1817 überstehen. Sie forderten auch in Weil zahlreiche Todesopfer. Die Finanzen der Gemeinde waren zerrüttet, die Felder und der Weinberg verwüstet.

Zu dieser Zeit (1817) stellte der badische Forstmeister Karl Freiherr Drais von Sauerbronn die von ihm erfundene einspurige Laufmaschine in Mannheim der Öffentlichkeit vor. Das Zweirad, auf dem man sitzen konnte und sich mit den Füßen vom Boden abstoßend fortbewegte, wurde unter dem Namen Draisine weltberühmt. Es handelte sich um den Vorläufer des Fahrrads. Und obwohl im 19. Jahrhun-dert Wissenschaftler vor den Folgen des Fahrradfahrens warnten - sie waren der Ansicht, dass der Fahrtwind das Gesicht der Radler verforme, wurden in ganz Deutschland Radsportvereine gegründet - so auch in Weil, allerdings erst viel später. Die Urgroßmutter von Karl Drais, Anna Margaretha Drais (1647-1716), wohnte übrigens einige Zeit in Weil. Sie war einmal Besitzerin des Meierhofes im Müh-lenrain.

Alles war im Aufbruch. Auch die Musikkultur erfuhr einen großen Wandel. Das Bürgertum hatte sich als hauptsächlicher Träger des Musiklebens etabliert und wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, Adel und Kirche aus dieser Funktion verdrängt. Träger der neuen bürgerlichen Musikkultur waren fortan die zahlreichen Musikgesellschaften, Konzert- und Gesangvereinigungen, die auch in kleineren Städten und Dörfern gegründet wurden. Während zuvor die Komponisten in aller Regel bei Hof oder Kirche angestellt waren, stand nun der Komponist meist nicht mehr in einem engen Abhängigkeitsver-hältnis. Ein freies Künstlertum bildete sich heraus. Sänger der stetig wachsenden Zahl von Chören mussten nicht mehr über eine umfassende musikalische Ausbildung verfügen.

Als dann Anfang des 19. Jahrhunderts unzählige Chorvereinigungen in Deutschland entstanden, wurde auf Anregung vom damaligen Pfarrer Hoyer und dem Hilfslehrer Schilling 1836 auch in Weil ein Gesangverein gegründet. Der Gesangverein 1836 war somit der erste Weiler Verein und ist heute noch der älteste Verein der Weiler Geschichte. Er zählte anfangs nur wenige Mitglieder, die ihre Sing-stunden gewöhnlich am Sonntag vor dem Vormittagsgottesdienst abhielten.

Seinerzeit war zum Abhalten von Vereinsanlässen wie Konzerte oder Tanzveranstaltungen eine kir-chenbehördliche Genehmigung erforderlich. Da diese oft nicht erteilt wurde, hielt der Verein seine Konzerte gerne im nahe gelegen Riehen ab. Bei einer solchen Veranstaltung gab es einmal einen nassen Heimweg. Die Matten, durch die der Weg von Riehen her führte, waren überschwemmt. Da-mals bildete die Wiese noch zahlreiche Nebenarme und über den Wiesefluss führte noch keine feste Brücke, sondern nur ein schwankender Steg. Da luden die wackeren Sänger ihre Eheliebsten und was sonst noch an weiblicher Begleitung dabei war auf den Rücken und trugen die schöne Last unter Geschrei und Gejohle aufs trockene Land.

Wohl von der Wandlung in der Musikkultur und dem aufregenden Vereinsleben des Weiler Gesang-vereins inspiriert, ging 1839 aus der von Johann Jakob Kaufmann gegründeten türkischen Musik, der Musikverein und die spätere Harmoniemusik hervor, die seit der Stadterhebung im Jahre 1929 "Stadtmusik Weil am Rhein" genannt wird.

Doch außer Gesang und Musik beschäftigte die Weiler das Thema Schule immer wieder in besonde-rem Maße.

Als eine neue Lehrstelle an der Schule in Weil zu besetzen war, erachtete es das Lörracher Oberamt für zweckmäßig, das Ministerium in Karlsruhe auf die Charaktereigentümlichkeit der Weiler aufmerk-sam zu machen. Im August 1840 gab es in der Sache folgenden wörtlichen Bericht ab:
"Die Bevölkerung von Weil, eines an der südwestlichen Grenze des Landes, zwischen die Schweiz und das Elsass hinein geschobenen großen Dorfes, hat wegen ihres ununterbrochenen Verkehrs mit Schweizern und Franzosen einen etwas eigentümlichen Charakter angenommen…"

Ob die Stelle jemals besetzt wurde, steht nicht fest. Fest steht allerdings, dass 5 Jahre später, im Jah-re 1845 für inzwischen etwa 200 Schüler ein prächtiges neues Schulhaus mit zwei geräumigen Schul-sälen und Lehrerwohnungen auf dem Kirchplatz gebaut wurde.

Im selben Jahr (1845) erschien erstmals der Oberländer Bote. Von da an wurden für Lebertran, Lam-penschirme und, neben Ballkrawatten und Ballstrümpfen, auch für Glacé-Handschuhe in Zeitungsan-noncen geworben. Knechte und Dienstmädchen wurden auf diesem Wege gesucht, Entmündigungen von Personen öffentlich bekannt gegeben und Pferde- und Viehmärkte angekündigt. Generalagentu-ren für Auswanderer annoncierten ebenso, wie die Veranstalter für Gesellschaftsabende in den Casi-nos von Lörrach und Basel mit Musik und Tanz.

Drei Jahre später, im September 1848, berichtete dieser Oberländer Bote von dem tragischen Ereig-nis im Revolutionsjahr, dass fünf von sieben Mitgliedern der Weiler Musik, die sich den Struwe'schen Freischaren angeschlossen hatten, in Staufen erschossen wurden.
Ein trauriges politisches Ereignis, welches das ganze Dorf in ungeheure Aufregung versetzte und die anfängliche Begeisterung für die Bewegung stark reduzierte.

Von freudigeren Ereignissen kann man im Jahre 1850 lesen:
Zirkus Knie, der von Zeit zu Zeit in Weil gastierte, wurde angekündigt. Und wenn das Fräulein Knie aufs Seil ging, ließ es sich die Weiler Musik nicht nehmen, den Lieblingswalzer von Frl. Knie zu spielen, der fortan "Seiltanzer" genannt wurde.

Die Weiler ließen es sich schon immer gerne gut gehen und so hieß es auch gelegentlich einer Ortsbesichtigung des damaligen Pfarrers Dorn im Jahre 1851, dass die Einwohner wohl etwas genuss-süchtig, dabei aber intelligent, entschlossen, tatkräftig, sparsam und überaus fleißig seien und dabei Musik und Gesang liebten.

Wenn es dann mit der Musik und dem Gesang bis in die Nacht hinein dauerte, sorgten die Weiler Nachtwächter für Ruhe, die noch bis um Mitte des 19. Jahrhunderts, im inzwischen 1.400 Einwohner zählenden Dorf, umhergingen und mit den bekannten Hebel'schen Versen die Stunden der Nacht bekannt gaben.

Einen neuen Zeitabschnitt für Weil und die gesamte Umgebung markierte der 1855 aufgenommene öffentliche Bahnbetrieb auf der Leopoldshöhe.
1860 fand zum 100. Geburtstag von Johann Peter Hebel ein großes Hebelfest statt. Der hiesige Gesangverein und die Weiler Musik schmückten 2 Festwagen und beteiligten sich am musikalischen Programm. Auf dem ersten Wagen wurde ein Fässchen köstlicher Weiler Wein platziert und auf jeder Seite ein hübsches Weiler Mädchen in der alten Markgräfler Tracht, wie sie zu Hebels Zeiten getragen wurde. Eines der Mädchen war die Tochter von Max Raupp, einem Gründer des Gesangvereins. Bevor die Vereine mit ihrer süßen Last von Weil nach Hausen wegfuhren, nahm Kunstmaler Friedrich Schwörer an jeden Arm eines dieser Mädchen und ging mit ihnen stolz durchs Dorf um sie der Einwohnerschaft zu zeigen.

Schon ein Jahr später gab es in Weil wieder ein Großereignis zu feiern. Zum Jahreswechsel 1861 auf 1862 wurde die lang ersehnte feste Wiesenbrücke zwischen Weil und Riehen eingeweiht. Dies war wieder Anlass für ein Fest, wie es in Weil bis dahin noch nie gesehen und erlebt wurde. Die ganze Bevölkerung und auch die Weiler Vereine nahmen regen Anteil daran. Die Weiler gerieten in einen regelrechten Freudentaumel - waren außer Rand und Band und konnten gar nicht genug feiern. Allerdings taten die Basler kurz darauf in den Basler Nachrichten ihren Unmut über den Weiler Redner, den Pfarrer Ludwig Dorn kund. Sie erwähnten dabei, dass während der offiziellen Rede einige unpas-sende Bemerkungen und Verdächtigungen gegen Basel und seine Angehörigen nicht unterdrückt worden seien.

Bereits im folgenden Jahr (1862) fand ein weiteres Großereignis statt. Das Obermarkgräfler Sänger-fest, an dem sich Tausende aus der ganzen Umgebung beteiligten, wurde mit großem Aufwand in Weil veranstaltet.

Drei Jahre später, im Jahr 1865, wurde ein weiterer Weiler Verein gegründet: die Freiwillige Feuer-wehr. Sie umfasste drei Abteilungen mit 50 Feuerwehrleuten. Jedes Mitglied hatte für Anschaffungen einen Monatsbeitrag von 12 Kreuzern zu entrichten und musste die Feuerwehrjacke selbst kaufen. Die junge Truppe, deren Disziplin ausgezeichnet war, konnte schon wenige Monate nach ihrer Gründung bei Bränden in Basel und Riehen ihr Können beweisen - 14 Jahre später wurde das lang ersehnte Spritzenhaus gebaut.

Kurz darauf wurde auch ein weiterer Schulneubau aufgrund der stetig wachsenden Schülerzahlen zwingend notwendig. Eine Vergrößerung des bestehenden Schulgebäudes auf dem Kirchplatz war wegen der räumlichen Einengung ausgeschlossen. Der Rat beschloss daher, ein neues Schulhaus auf einem geräumigen Platz an der Hinterdorfstraße auszuführen - am 15. Mai 1880 wurde die He-belschule ihrer Bestimmung übergeben. So konnte die Gemeindeverwaltung von der "Krone" in die frei gewordenen Räume des alten Schulhauses auf dem Kirchplatz umziehen. Zur gleichen Zeit etwa siedelte sich in Friedlingen die Textilindustrie an, in der auch viele Weiler Arbeit fanden.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Sport zu einer Massenbewegung, die alle Bevölkerungsschichten erreichte.

Auch in Weil fanden sich 1884 einige Beherzte und gründeten einen Turnverein.
Es waren 14 Männer, die sich zum ersten Mal, auf dem Platz hinter der Kirche, zu einer Turnstunde versammelten. Als Geräte wurden ein Klettergerüst, wie es damals Mode war, und ein Reck benutzt. Allerdings stand der Großteil der Einwohnerschaft der Sache sehr skeptisch gegenüber. Sie konnten einfach nicht verstehen, wofür so ein Turnverein gut sein sollte. Auch die Gemeindeverwaltung zeigte für diese Neuerung kein Verständnis und lehnte es ab, einen Turnplatz zur Verfügung zu stellen oder den Verein finanziell zu unterstützen. So turnten die Männer an verschiedenen Orten wie hinter der Kirche oder in den Wirtshausgärten. Im Winter waren sie sogar auf die Lokale der Gasthäuser ange-wiesen.

Im Gegensatz zum Turnverein war der Weiler Musikverein inzwischen längst etabliert und umrahmte immer wieder offizielle Festlichkeiten mit einem Musikprogramm. So auch im Jahre 1890. Als die stra-tegische Bahn (von 1878, die von der Leopoldshöhe nach St. Ludwig führte) von der Leopoldshöhe über Weil nach Lörrach weitergeführt und diese Linie mit Tunnel und zusätzlicher Bahnstation einge-weiht wurde. Als Großherzog Friedrich von Baden, der auch unter den geladenen Gästen war, in Weil einfuhr, spielte die Weiler Musik beim Bahnübergang an der Hauptstraße den "Luisenmarsch", wel-cher der Großherzog besonders gern hörte.

Ebenfalls im Jahre 1890 war in Weil ein Leseverein entstanden, nachdem 10 Jahre zuvor bereits auf der Leopoldshöhe ein solcher gegründet worden war. Vorstand war Posthalter Wilhelm Meckes. Die Mitglieder waren hauptsächlich Beamtenfamilien von Zoll, Eisenbahn und Post.
Der drei Jahre später, im Jahre 1893, ins Leben gerufene Frauenverein hat sich die Fürsorge der Kranken in Weil zur Aufgabe gemacht und schon ein Jahr später die Anstellung einer Krankenschwes-ter ermöglicht. Gründungen von Frauenvereinen wurden von der energischen Landesfürstin Großher-zogin Luise (1838-1923) gefördert, deren Name bekanntlich untrennbar mit dem Badischen Roten Kreuz verbunden ist.

Mitte der 1890er Jahre erhielt der Oberländer Bote Konkurrenz durch das Oberbadische Volksblatt und zur großen Erleichterung der Weiler Hausfrauen wurden die Haushalte nach und nach an die neue Wasserleitung angeschlossen. Ebenso erfolgte eine weitere Vereinsgründung: der Weiler Schützenverein, den die Weiler liebevoll "Zimmerstutzenverein" nannten, begann unter Jagdaufseher Kimmer mit seinen Aktivitäten. Beim Preisschießen gab es unter anderem Liegestühle, silberne Kaf-feelöffel, leinene Servietten oder ein Tranchierbesteck zu gewinnen. Gerne traf man sich zu geselligen Abenden im Schützenhäuschen, das hinter dem Gasthaus "Zur Sonne" stand. Dann und wann gab es auch Dachspfeffer, der von der Sonne-Wirtin zubereitet wurde.

Von einem weiteren Verein - dem gemischten Chor "Frohsinn" - lesen wir in der Tschamber/ Keller- Chronik: da heißt es, dass Emil Kaufmann unter anderem deren Leitung im Jahre 1896 übernommen hatte. Wann dieser gemischte Chor "Frohsinn" gegründet wurde, geht daraus nicht hervor.

Und wieder gab es in Weil etwas Erstmaliges: 2 Jahre vor dem Jahrhundertwechsel (1898) - man legte noch großen Wert auf strenge Etikette - wurde von Emil Kaufmann der erste Tanzkurs abgehalten, der viele Folgekurse nach sich zog und die Weiler Jugend wie deren Eltern restlos begeisterte - wussten sie doch fortan, sich in feinen Gesellschaften zu bewegen.

Mit dem Jahre 1900 endet unsere Zeitreise durch das alte Rebdorf. Weil zählte um die Jahrhundert-wende mehr als ein halbes Dutzend Vereine und 2.052 Einwohner. Die Kinder wurden meist auf die modischen Namen Anna, Martha und Frieda oder Wilhelm, Carl und Heinrich getauft.

Live-Darbietungen von Musik wie Salonorchester und Pianisten in Stummfilmkinos waren noch alltäglich, technisch vermittelte Musik mit elektrischen Automaten und Grammophon dagegen noch etwas Besonderes.

Frauensport galt immer noch als Gefahr für die Moral, die weibliche Schönheit und die Gesundheit.
Einzelne Sportarten wie Tennis, Schwimmen oder Radfahren wurden allerdings nach und nach für Frauen akzeptiert.
Inzwischen war auch Eislaufen zum Volkssport für Jung und Alt geworden.


Das exklusive zweirädrige Sportgerät "Fahrrad" hatte sich inzwischen zum Verkehrsmittel gemausert. In den Basler Nachrichten wurden an der Schwelle zum 20. Jahrhundert (1898) bereits 5.000 Fahr-räder gezählt, weswegen die Basler, ebenso wegen der 100 Droschken und vielen Herrschaftskut-schen, auf den Basler Straßen um ihr Leben bangten.

Auch in Weil fand das Fahrradfahren immer größeren Zuspruch und so gründeten einige Weiler 1903 den "Allgemeinen Radfahrer-Verein Weil". Doch da beginnt bereits das 20. Jahrhundert, über das ich Ihnen vielleicht ein anderes Mal erzählen werde.

Kehren wir wieder in die Gegenwart - ins 21. Jahrhundert - zurück. Heute zählen wir in Weil am Rhein rund 240 Vereine. Viele Bürger sind Mitglied in einem oder gar mehreren Vereinen, wo sie sich aktiv für die Gemeinschaft engagieren oder den Verein als Passiv-Mitglied unterstützen. Immer noch - und mehr denn je - ist das Vereinsleben hochaktuell und bedeutend - zeigt sich die ungeheure Kraft und Wichtigkeit des Vereinslebens für unsere Gesellschaft - gestern wie heute.

All den Menschen, die sich in den letzten 170 bzw. 125 Jahren eingebracht haben, nicht nur für die Musik oder den Sport selbst, sondern sich auch anderen Themen annahmen, und all denen, die sich für die künftigen Generationen einsetzen werden, gilt unser aller Hochachtung.

Der Stadtmusik und dem Turnverein gratuliere ich nochmals herzlich, wünsche aber allen drei Traditi-onsvereinen weiterhin eine kontinuierliche und erfolgreiche Entwicklung und eine glückliche Zukunft. Noch viele gute Stunden bei sportlichen, musikalischen und gesellschaftlichen Ereignissen und vor allem weiterhin wunderbare zwischenmenschliche Begegnungen.

Ich möchte mit einem Zitat von einem unbekannten Autor schließen, das dem Erfolgsrezept aller drei Weiler Traditionsvereine wohl entspricht:

Nicht was der Zeit widersteht, ist dauerhaft, sondern was sich klugerweise mit ihr ändert.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit