Turnverein
Weil 1884 e.V. - Faustball-JEC 2010
Landeszuordnungen
bei BTB und STB (11.10.2015)
Die
hier (JEC-Siegerlisten) verwendeten Bezeichnungen “Baden
/ Württemberg-Hohenzollern” oder auch “Württemberg-Hohenzollern”
als Landesbezeichnungen sind nicht nur etwas ungewohnt, sie bedürfen
der Aufklärung. Diese Schwierigkeit ist vornehmlich der Tatsache
geschuldet, dass die Verbandsverhältnisse im deutschen Südwesten
aufgrund der besonderen Nachkriegsentwicklungen schon weit fortgeschritten
waren, als die staatliche Neubildung des Bundeslandes Baden-Württemberg
im Jahre 1952 gegen den Willen der Altbadener vollzogen wurde,
und deswegen von Sport- und anderen Verbänden, wie auch den
Kirchen, nur teilweise bis gar nicht mitgetragen worden sind.
Es
hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in manchen Sportarten eingebürgert,
den Begriff “Schwaben” als Landesbezeichnung für
das Verbandsgebiet des Schwäbischen Turnerbundes (STB) zu benutzen.
Dies führt aber leicht zu Missverständnissen im Hinblick
auf das historisch-mittelalterliche Herzogtum Schwaben und vor allem
hinsichtlich der Verwendung der Amtsbezeichnung “Schwaben”
für den bayrischen Regierungsbezirk mit der Hauptstadt Augsburg.
Bei den Turnern wie bei vielen anderen Fach-Verbänden heißt
auch dort der entsprechende Bezirksverband des Bayrischen Turnerbundes,
"Schwaben". Die Verwendung dieses Begriffs soll hier also
ganz vermieden werden, zumal “Schwaben” im Gegensatz zu
“Baden” nie eine staatliche Bezeichnung war.
Im
Fall von “Baden” bzw. des Badischen Turnerbundes
(BTB) liegt die Frage der geografischen bzw. staatlichen Zuordnung
noch relativ einfach: Der BTB bezieht sich in seiner Satzung als
Verbandsgebiet auf die Vereine der beiden badischen Regierungsbezirke
(das waren “Nordbaden” und “Südbaden“)
in den Grenzen vor 1971, also vor der eigentlichen baden-württembergischen
Gebietsreform. Damit ist mit “Baden” ein Gebiet identifiziert,
das zwischen 1809 und 1945 i.W. als staatliche Einheit existiert
hat.
Die
entsprechenden Verwaltungsgrenzen der Regierungsbezirke wurden mit
der Gebietsreform von 1972-75 aufgehoben, die neu zugeschnittenen
Regierungsbezirke, die die alten Landesgrenzen ignorierten, nach
ihren Hauptstädten (Freiburg, Karlsruhe, Tübingen und
Stuttgart) benannt. Im Sport leben aber weitgehend die alten Grenzen
(von vor 1971) fort.
Der
STB bleibt in seiner Satzung demgegenüber weniger klar
und bezieht sich dort auf die Satzung des Württembergischen
Landessportbundes (WLSB), der seinerseits, scheinbar analog
zum badischen Fall, aber möglicherweise bewusst unpräzise,
von den “zwei württembergischen Regierungsbezirken”
spricht. Diese allerdings hießen “Nordwürttemberg”
und “Südwürttemberg- Hohenzollern”, sodass
der stillschweigende Einschluss Hohenzollerns mit dieser Formulierung
verschleiert, wenn nicht absichtlich übergangen wurde.
Diese
stillschweigende sportpolitische Eingemeindung Hohenzollerns
zu Württemberg war aufgrund der Staatsbildung in der französischen
Zone und des daraus enstandenen, ursprünglichen Bundeslandes
(Süd-)Württemberg-Hohenzollern (1949-52) sowie des territorial
identischen, ab 1952 folgenden Regierungsbezirks Südwürttemberg-Hohenzollern
(1952-72) naheliegend; trivial war dies aber nicht.
Sportpolitisch
hatten die Nationalsozialisten das Zollernturngau an das
"Schwabengau" angeschlossen, parteipolitisch ebenso, vor
der definitiven staatlichen Vereinigung hatten sie jedoch bis zuletzt
zurückgeschreckt.
Andererseits
gehört auch heute die in den ehemals preußischen “Hohenzollerischen
Landen” dominierende Katholische Kirche noch immer zum (sonst
badischen) Erzbistum Freiburg und nicht zum (württembergischen)
Bistum Rottenburg-Stuttgart. Die fünf evangelischen (Diaspora-) Gemeinden
dieses Gebiets haben sich dagegen der Evangelischen Landeskirche
in Württemberg angeschlossen.
Die
grundsätzliche Angliederung der hohenzollerischen Gebiete an
Württemberg hat aber auch seine Ausnahmen: Denn gerade im Vorfeld
der baden-württembergischen Gebietsreform gab es im vom Grenzverlauf
äußerst unübersichtlichen Gebiet zwischen den (süd)badischen
Städten Pfullendorf, Messkirch und Stockach einige weitgehend
einvernehmliche Grenzkorrekturen, die verschiedene Exklaven und
Halbexklaven bereinigten, wodurch hohenzollerische Ortschaften (und
Vereine) zu Südbaden kamen, wo sie schon immer sportlich hinorientiert
waren. Diese Bereinigungen sind i.W. im Vorfeld des 1.1.1971 erfolgt,
sodass hierzu "Rechtssicherheit" hergestellt worden ist. Im Gegenzug
brachten die nachfolgenden Korrekturen (der großen Gebietsreform) für die ehemals hohenzollerische
Gemeinde Ostrach, Kreis Sigmaringen, sechs km östlich von Pfullendorf,
die kuriose Situation, dass sie heute Gebietssprengel aller drei
früheren Landesteile vereinigt.
Diesem
Umstand wird Rechnung getragen, wenn in hier aufgeführten Aufstellungen
als Länderzuordnung im Falle des BTB von “Baden”
und im Falle des STB von “Württemberg-Hohenzollern”
gesprochen wird. Dieser Namensgebung entspricht im übrigen
auch der des Tischtennisverbandes Württemberg-Hohenzollern
und anderen Verbänden mit identischem Verbandsgebiet.
Entsprechend
dieser Namensgebung wird für gemeinsame Teams des BTB und des
STB nicht der naheliegende Begriff “Baden-Württemberg”
verwendet, sondern “Baden / Württemberg-Hohenzollern”.
Damit wird auch den weiterhin klar getrennten Verbandsgebieten Rechnung getragen.
Damit
ist aber keineswegs der Boden dieser südweststaatlichen Gebietsproblematik
erreicht. In vielen wichtigen Sportarten (z.B. Fußball, Handball,
Tischtennis oder Volleyball) gibt es zwei badische Verbände,
inklusive zweier Landesverbände als entsprechende Dachverbände,
den Badischen Sportbund Freiburg und den Badischen Sportbund
Nord, letztlich also als Folge der Nachkriegsbesatzungsgrenzen.
Diese (zusammen mit dem WLSB) drei territorial getrennten baden-württembergischen
Landessportbünde haben darüberhinaus noch eine Dachorganisation,
den Landessportverband Baden-Württemberg
(LSV BW), der die gemeinsamen Interessen, vor allem gegenüber der
Landesregierung, bündeln soll, inzwischen aber auch beachtlch in
sportpolitisches Neuland (Freiwilligendienste) vorgestoßen ist.
Selbstverständlich gibt es auch (eher wenige, aber zunehmend)
Fach-Sportverbände, wie z.B. im Basketball und im Tanzsport,
die landesweit organisiert sind und "politisch erwünscht" sind.
So
lag es 2007 nahe, den langjährigen Präsidenten des Basketballverbandes
Baden-Württemberg, Dieter Schmidt-Volkmar, nach seiner Demission
beim BBW zum gesamt-baden-württembergischen LSV-Präsidenten
zu wählen.
Die
innerbadische Teilung ist - außer der unterschiedlichen
Zugehörigkeit zu den Besatzungszonen - auch die Folge der unterschiedlichen
politischen Haltungen zur Südweststaatsfrage der damaligen
(süd-)Badischen Landesregierung Leo Wohleb (ehemals französische
Zone) einerseits und den führenden nordbadischen Vertretern
(Heinrich Köhler) in der Landesregierung von Württemberg-Baden
(ehemals amerikanische Zone) andererseits. Der nicht ganz unbegründete,
aber unterschiedlich aufgenommene damalige Anspruch des (süd)badischen
Staatspräsidenten Leo Wohlebs, für ganz Baden sprechen
zu können, wirkt so auf unterschiedliche Weise weiter fort.
Dabei
haben verschiedene nordbadische Verbände, trotz der Existenz
eines südbadischen Pendents, den gesamtbadisch klingenden (Vorkriegs-)Verbandsnamen
(z.B. Badischer Handballverband) beibehalten, obwohl man nunmehr
über 60 Jahre vom südbdischen Pendent getrennt ist.
Der
Badische Turnerbund (BTB) und der Badische Leichathletikverband
(BLV) gehören dagegen zu den wenigen, die sich wiedervereinigt haben, gesamtbadisch
benannt sind und gesamtbadisch sprechen. Insbesondere der BTB
gilt als "badisches Bollwerk", aber zugleich strategisches
Ziel im Hinblick auf noch immer aktuelle württembergische
Vereinigungsfantasien.
Weitere
Sonderentwicklungen gibt es noch um den früheren Landkreis
Lindau, der nach dem Krieg als einziger Bayrisch-Schwabens,
quasi als Landbrücke zum ebenfalls französische besetzten
Vorarlberg und Tirol, dem französischen Besatzungsgebiet zugeordnet
wurde. Mit einem Sonderstatus wurde er dem französich besetzten
Land (Süd)Württemberg-Hohenzollern angegliedert. 1950,
nach der Gründung der Bundesrepublik, wurde die parlamentarische
Vertreteung Lndaus vom Bundesland (Süd)Württemberg-Hohenzollern
wieder nach Bayern verlegt, die endgültige politische Rückgliederung
des Landkreises zu Bayern war erst mit dem Ende des Besatzungsstatus
1955 möglich und wurde 1956 tatsächlich abgewickelt..
Die
Lindauer Sportpolitiker (und vielleicht nicht nur diese) verhandelten
noch viel länger. Die "Rückkreisung" per 1.1.1974
brachte optimale Verhältnisse für das "bayrische
Juwel am Bodensee". Die finanziellen Privilegien der Übergangsjahr(zehnt)e
konnten für weitere 10 Jahre erhalten werden, außerdem
kann der Sportkreis Übungsleiterausbildungen selbst durchzuführen,
kann Sportabzeichen verleihen und hat quasi freie Wahl für
seine Sportler, ob sie ihre Sportart in bayrischen oder württembergischen
Verbandsverhältnissen ausüben wollten.
Die
Folge davon ist, dass inzwischen die Lindauer zwar dem Bayrischen
Turnverband angehören, Faustball weiterhin aber im STB spielen,
was möglicherweise auch mit der Aufteilung in Bayrischen Turnverband
und Bayrischem Turnspielverband zusammenhängt. Und die Fußballer
der Landkreises spielen, wie die Neu-Ulmer, im württembergischen
Verband…
Ähnliche
komplizierende Nachwirkungen von Nachkriegsverhältnissen gibt
es auch in anderen Bundesländern, vor allem in Rheinland-Pfalz.
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