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Turnverein Weil 1884 e.V. - 50 Jahre Jahnhalle

Festakt in der Jahnhalle:

50 Jahre Jahnhalle des TV Weil 1884 e.V.

Ansprache von Oberbürgermeister Wolfgang Dietz aus Anlass des Festaktes am Samstag, 11. Juni 2005, 17.00 Uhr

Wer des 50jährigen Bestehens eines Gebäudes begeht, zumal einer Sport- und Veranstaltungshalle, der sollte in erster Linie der Männer und Frauen gedenken, die dieses Gebäude ins Werk gesetzt haben. Dies um so mehr, als die Geschichte der Jahnhalle ein leuchtendes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement in einer schwierigen Zeit darstellt. Gemeinsinn und Einsatzbereitschaft fanden hier ihren in Stein gesetzten Ausdruck. Deshalb will ich an erster Stelle an die Männer und Frauen des TV Weil erinnern, die sich in vorbildlicher Weise engagierten und so aus einem Wunsch eine Wirklichkeit werden ließen:

  • dazu gehörten die Mitglieder des Vorstandes, die die Verantwortung für das Vorhaben übernahmen;
  • dazu gehörten genauso die zahlreichen Helferinnen und Helfer, die entweder auf der Baustelle selbst mit Hand anlegten oder sich um Sach- und Geldspenden bemühten.

Vorbildlich war damals auch der Zusammenhalt der Weiler Vereine. Sie steuerten ihren Beitrag bei. Sie hofften, mit der neuen Jahnhalle ebenfalls eine zeitgemäße Aufführungsstätte zu erhalten. So ist es auch eingetreten. Angesichts der vielen Sport- und Turnhallen, die in unserer Stadt in den vergangenen 50 Jahren gebaut wurden und aktuell werden, kennen sogar viele Weilerinnen und Weiler die Jahnhalle heute in eigener Anschauung nur aus der Nutzung als Veranstaltungsort für Jahresfeiern und gar nicht als Sportstätte. Die Jahnhalle ist heute eine unserer guten Stuben im Stadtgebiet für Veranstaltungen. Stadtmusik, Gesangverein und Narrenzunft - um nur drei Vereine zu nennen - greifen gerne auf das Angebot des TV Weil zurück. Aus dem Vereinsleben unserer Stadt ist die Jahnhalle nicht wegzudenken.

Wer die 1955 anlässlich der Einweihung herausgegebene Festschrift des TV und die Protokolle des Gemeinderates jener Monate ließt, ist beeindruckt von dem in allen Dokumenten zum Ausdruck kommenden Wille, durch gemeinsame Anstrengung dem Verein ein neues, den Bedürfnissen der Zeit entsprechendes Domizil zu verschaffen. Man ist beeindruckt von dem guten und engen Zusammenwirken von Verein, lokaler Wirtschaft und Stadtverwaltung.

Wenn uns auch heute manche Formulierungen der Jahre 1954 und 1955 sehr pathetisch erscheinen mag, so drücken sie doch aus wie beseelt von dem Gedanken an das Gemeinschaftswerk die seinerzeit Verantwortlichen des Turnvereins waren.

Auch die politische Gemeinde hatte Interesse an dem Bau. Die Stadt wuchs rasant. Innerhalb der vorausgegangenen 10 Jahre hatte sich die Zahl der Einwohner nahezu verdoppelt. Die wirtschaftliche Erholung nach dem Krieg, die schon damals existente Sondersituation mit dem Wachstumsmotor Basel vor der Tür ließen zudem weitere Einwohnerzuwächse erwarten. In Zahlen ausgedrückt: Die Einwohnerzahl stieg von 8.600 Einwohnern im Jahr 1946 auf über 14.200 zum Ende des Jahres 1954 !
Die Konsequenzen für die Stadt waren unübersehbar:

  • Angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt gründete die Stadt 1955 die Städtische Wohnungsbaugesellschaft, um der drängenden Nachfrage zu begegnen.
  • Die Anforderungen an die Infrastruktur, namentlich in den Bereich Verkehr, Bildung und Sport wuchsen mit. Es waren Jahre des Aufbruchs und des Baubooms.
  • Die Karl-Tschamber-Schule wurde im Jahr 1955 ihrer Bestimmung übergeben.
  • Gerade fünf Jahre waren vergangen, seit Weil am Rhein im Jahr 1950 sein Städtisches Freibad eröffnen konnte, an dessen Bau auch zahlreiche Mitglieder des TV aktiv beteiligt waren.

Der damalige Bürgermeister Peter Hartmann und der Gemeinderat zeigten sich aufgeschlossen gegenüber den Plänen des Turnvereins. Die politische Gemeinde sah die Chance, eine Veranstaltungsstätte für die junge und aufstrebende Stadt zu erhalten. Sie unterstützte das Vorhaben nach Kräften. Das zeigt sich in den Entscheidungen des Gemeinderates:

  • Am 28. Juni 1954 beschloss der Gemeinderat: "die Abstellung von fünf städtischen Arbeitern einschließlich Vorarbeiter zur Mithilfe bei der Erstellung des Rohbaus und die Übernahme der Arbeitslöhne auf die Stadtkasse. Die Arbeitsleistung wird als Barzuschuss auf den noch festzusetzenden städtischen Zuschuss zum Turnhallenumbau angerechnet".
  • die Stadt Weil am Rhein verbürgte sich zu einem Drittel als Ausfallbürge für ein Wohnungsbaudarlehn, das der Turnverein bei der Badischen Landeskreditanstalt aufnahm.
  • Aus dem Topf der staatlichen Toto-Lotto-Mittel wurde geschöpft: DM 26.000.- sollten es werden, allerdings standen diese unter dem Vorbehalt, dass die Sportstätte im Eigentum der Gemeinde - nicht des TV Weil - stehen wird. Und so beschloss denn auch der Finanzausschuss am 13. März 1957, dass dem Gemeinderat baldmöglichst ein Vertragsentwurf zu einer Übereignung der Jahnhalle an die Stadt Weil am Rhein vorzulegen sei. Damit konnte und wollte der TV angesichts seiner Eigenleistungen nicht einverstanden sein. Nach einigem rechtlichem Hin- und Her beschloss der Gemeinderat am 21. Mai 1957 den Entwurf einer Vereinbarung, nach der "der Turnverein verpflichtet ist, die Turnhalle für Veranstaltungen, deren Träger die Stadt ist, zur Verfügung zu stellen." Die Vereinbarung indes trat nie in Kraft. Nachdem das Regierungspräsidium die korrekte Verwendung der Toto-Lotto-Mittel offiziell bestätigt hatte, empfahl der damalige Kämmerer dem Finanzausschuss, auf den Abschluss der Vereinbarung zu verzichten. Nachdem der Vorgang verjährt ist, kann man ja heute mit einem gewissen Schmunzeln registrieren wie die Stadt damals den Lotto-Toto-Fonds und der Turnverein die Stadt ausgebremst haben !
  • Aber nicht nur in rechtlicher Hinsicht zeigte sich die Stadt Weil am Rhein großzügig. In den Haushaltsplänen der Jahre 1954 bis 1957 sind bezogen auf den Turnhallenbau städtische Zuschüsse in einer Gesamthöhe von DM 50.091.- verzeichnet.
  • Sogar dem "Gesuch um Nachlass der Bauwasserschuld für den Turnhallenneubau" wurde in der Gemeinderatssitzung am 7. Mai 1955 stattgegeben. Es ging um einen Betrag von DM 40.- Damals war für solche Beträge der Gemeinderat zuständig ! Der Gemeinderat beschloss in jener Sitzung übrigens auch, DM 300.- für die Prämierung der besten Wagen und Gruppen am Fasnachtsumzug bereit zu stellen und benannte drei Stadträte in das Preisrichterkollegium !

Alle zitierten Beschlüsse fielen gemäß den Protokollen des Gemeinderates einstimmig. Diese Erkenntnis war für mich - mindestens familiär - beruhigend, da ich feststellen konnte, dass auch mein Vater - damals frisch in den Gemeinderat gewählt - dem Antrag auf Erlass der DM 40.- zugestimmt hat.

Die Jahre 1954 und 1955 waren geprägt vom Wunsch nach schnellem Wiederaufbau, zugleich von einem ansteckenden Aufbruchsoptimismus - nicht nur in Weil am Rhein, sondern in der gesamten, jungen Bundesrepublik. Die Menschen griffen dankbar nach den neuen Möglichkeiten. Eigenengagement war gefordert - und selbstverständlich. Die Welt hat sich in den vergangenen 50 Jahren verändert:

  • Wer 1955 ein halbes Jahrhundert zurückblickte, der hatte zwei Weltkriege vor Augen. Er übersah eine Zeitspanne mit in der Neuzeit nie da gewesenem, menschlichem Leid, mit dem Verlust materieller Existenz, für viele Menschen verbunden mit dem Verlust der angestammten Heimat.
  • Wer heute seinen Blick fünfzig Jahre zurückwirft, der übersieht eine Zeitspanne des Friedens, des Zusammenrückens der europäischen Völker, der Aussöhnung mit den Nachbarn und wirtschaftlich - bei allen aktuellen Schwierigkeiten - der Wohlstandsmehrung. Nur noch ein Viertel unserer Bevölkerung in Weil am Rhein ist vor dem Jahr 1945 geboren. D.h. Dreiviertel unserer Bevölkerung hat in seiner Lebensspanne in unserem Land - glücklicherweise - keinen anderen Zustand erlebt als den, in Frieden und Freiheit zu leben.

Lassen Sie mich nachdenklich hinzufügen: Wer den Blick heute zurückwirft, stellt auch fest, dass unsere Gesellschaft seit 1955 bequemer und fordernder geworden ist.
Die Anforderungen scheinen die Menschen dabei lieber

  • an ihre Umgebung,
  • an ihre Mitmenschen,
  • an die Solidargemeinschaft der Versicherten,
  • an den Staat zu richten.

Gerade so, als handle es sich bei all diesen um ein drittes, ein höheres Wesen mit unbeschränkten Befugnissen und Möglichkeiten.
Da ist es geradezu wohltuend, auf einen Verein wie den TV Weil zu stoßen, in dem Mitwirkung und Zupacken zum Credo der Vereinsmitglieder gehören, sei es bei den sportlichen Veranstaltungen oder bei den sonstigen Vereinsaktivitäten wie die traditionelle Beteiligung am Alt-Weiler Straßenfest oder die wieder belebte Tradition der Neujahrsempfänge der Alt-Weiler Vereine.
Ein äußerst lebendiges Vereinsleben,

  • getragen von vielen Schultern,
  • wirtschaftlich denkend und handelnd,
  • fortgesetzt verwurzelt in der Weiler Bevölkerung,
  • traditionsbewusst, aber zukunftsorientiert,
  • den Leistungen der Vergangenheit verpflichtet und
  • mit Elan an neue Aufgaben herangehend.

Das sind die Attribute für den TV Weil 2005.

Wer sich in diesem Geist den Herausforderungen unserer Zeit stellt, wer die eigenen Leistungen aus der Vergangenheit als Vorbild für die Zukunft nimmt, der kann mit berechtigtem Optimismus seinen Weg gehen. Die Jahnhalle wird dabei noch lange die geeignete Heimstatt für die Vereinsaktivitäten des TV und seiner befreundeten Vereine sein. Die Jahnhalle hat deshalb heute nicht nur Vergangenheit, sie hat Zukunft.

Ich sagte eben, Sie können Ihren Weg mit Optimismus gehen. Damit auch andere den Weg mit Ihnen gehen können, die den Weg bislang noch nicht zum TV Weil und der Jahnhalle gefunden haben, habe ich Ihnen ein Präsent (Straßenhinweisschild "Jahnhalle") mitgebracht.